Ein großer Genuss, aber auch ein
ständiges Hereinprasseln von Anforderungen außerhalb meines Fahrwassers - das
war die Zusammenarbeit mit dem Orchester der Uni Stuttgart.
Denn eigene Leistung als DJ
zu verknüpfen mit Filmen, auf die gewerblich tätige Leute noch
Ansprüche anmelden können, vermeide ich persönlich wie der Teufel das
Weihwasser. Der Ruin der Gruppe "The Verve" mit ihrer "Bittersweet
Symphony" - alle Rechte hinüberprozessiert zu einem Vermarkter von
Rolling-Stones-Rechten, also auch die Stones sahen das Geld nicht - von Vanilla
Ice mit "Ice Ice Baby" - alle Rechte an den Bassisten der
"Queen", der das Sample lieferte - sind zwei Momente von Tausenden, die
mich belehren: Lass die Finger aus der Marmelade. Die Zeit der Diabelli-Variationen (1819 bis 1823), in der man sich damit beschenkte, dass man
sich remixte, ist zuende.
Das Orchester rührte nun gradlinig
in der Marmelade fremder Filme herum. Eigentlich wollten die Musiker in eigenen
Arbeitsgruppen die Filme für ihre Filmmusik zurechtschneiden. Aber plötzlich
war da Zeitdruck, und kein gutes Ergebnis in Sicht. Ich sollte eigentlich
irgendwie und irgendwann ein bisschen zeigen, wie man rein technisch Film
schneidet. Doch da war eine Lawine an Werken zu bearbeiten, und unter ihr
plätscherten ein paar Freiwillige des Orchesters ahnungsarm im Pool. Der Moment kam - drei Tage vor
Weihnachten bis drei Tage nach Sylvester - wo ich die Lawine im Alleingang
abarbeitete.
Das Abarbeiten von Lawinen liegt
ansonsten außerhalb meines Fahrwassers: Als Angestellter lasse ich mich ein
bisschen stressen. Als Dienstleister weiß ich, dass manchmal der Verdienst
eines ganzen Jahres sich in den Anforderungen und dann Honoraren ballt, die sich
in zwei Monaten konzentrieren - da muss ich dann schon mal durch. Aber im
Bereich der eigenen Schöpfung, als Künstler, vermeide ich den Overkill. Ich
stelle meine Inhalte in aller Zurückhaltung fertig, ohne Erwartungsdruck von
außen. Bei der Zusammenarbeit mit dem Orchester war ich als schöpferischer
Mensch gefragt, ja, als Künstler. Aber was ich zu tun hatte, steigerte sich von der anfänglichen
Arbeitserwartung hoch zum Zehnfachen, in etwa einem Drittel der Zeit, die ich
mir gewünscht hätte.
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Dass ich da etwas in einen
vorgegebenen Rahmen zu tun hatte, ist dann das Dritte, dem ich als Künstler
ansonsten aus dem Wege gehe. Im Orchester muss wohl eine Hierarchie herrschen
aus Mitmusikern, Solisten, Virtuosen und einem Dirigenten. Film sollte ich
schneiden - eine Arbeit, die virtuos erfolgen sollte, und die plötzlich bei mir
als Solist hängenblieb. Die Ergebnisse dieser Arbeit wurde jedoch in den
Orchesterauftritt integriert wie das Instrument eines Mitmusikers - da fängst
du an, oder dort, Anweisungen mal eben so, und alles muss stimmen, na klar. Ich war nicht froh über
die Zerstückelung filmischer Passagen bei "Der Pianist" und "La Strada". Es ist mir peinlich, die Filmmusik von "Winnetou" mit
Bildern beliefert zu haben. Den Film mag ich, aber ich würde ihm einen
amüsierten Country-Song drunterlegen und keinen Böttcher. Im Orchester war ich
ein Glied in der Leiter und reichte Material zum Dirigenten weiter.
Was ich mir genehmigte, war eine
Zweiteilung meiner "Arbeit": Die Aufführungen des Orchesters
bediente ich mit dem Gewünschten und blieb dort ein selten genannter Zulieferer. Frei von dortigen
Partituren baute ich aber so etwas wie eine Stücke-Sammlung "Orchester-Rock"
- Klangpassagen brutal montiert und geloopt, yeah. Die Musik ist da nun aber
ohne jeden Bezug zu Kommerzfilm. Plus einen See aus Filmzitaten habe ich mir in
dieser kurzen Stressphase aus Filmsichtung und Schnitt zusammengestellt. Wenig
"La Strada", kaum "Tod in Venedig", aber einen knackigen
"Spider Man" mit verfremdeten Klängen, idyllisch große Passagen aus
"E.T." und "Fluch der Karibik".
Die Karawane des Uni-Orchesters ist
mittlerweile weitergezogen. Zurück bleibt meine "Kneipe mit den zersägten
kommerziellen Filmen", daneben ein "Hotel der klassischen Musik",
gefilmt von mir. Schließlich sind da noch nette Reisebilder. Alles rund dann
doch. Schön
war die Zeit.
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