Titel einzeln auflegen und für wertvoll halten - welch untergegangener Ritus.
Mit 12 sah ich bei einem Freund eine lange Reihen von Singles, die sein älterer
Bruder erworben hatte. Ich träumte davon, auch so
eine Reihe von Singles zu haben. Nebenbei habe ich das dann durchaus verwirklicht
bis zum Ende der Single-Ära. Dieses Ende begann langsam 1968, als die LPs gut wurden,
1985 beschleunigte sich das Ende der Singles, als das Volk CDs kaufte. Nach meinem Gefühl
war die Vinyl-Single ab 1995 dann ein Nischenspaß, bedeutungslos beim
Musikverkauf. Zuvor erlebte sie bei Punk und NDW
nochmals einen kleines Schlussfeuerwerk. Auf Flohmärkten warf ich bis etwa 2003
noch ein Auge auf die kleinen Scheiben. Sie kosteten zuguterletzt nur noch 10
bis 50 Pfennig. Die CD hatte vorübergehend gewonnen - bis als nächstes das
Internet sich durchsetzte.
Im Gleichklang zum Märchen "1001 Nacht" stehen bei mir nun 1001 Single-Vinyl-Schallplatten. Die werde ich aber nur aus feierlichen Anlässen knirschen und rumpeln lassen.
Hier im Internet verzeichne ich meine 1001 Singles mit ihren 20xx
Musikstücken. Jede Single hat ja eine Rückseite, und die wurde auch bespielt,
oft mit einem Wegwerf-Stück. Legendär ist das in fünf Minuten entworfene und in
Echtzeit eingespielte Lied "Play with Fire" der Rolling Stones - eine
b-side mit Atmosphäre. Also der Plattensammler grinst und nimmt auch die b-side
meist mit ins Archiv. Manche Singles haben mehr als ein Stück, so dass alles in
allem 20xx Musikstücke auf meiner privaten Jukebox bereitliegen. Fotos der Plattenhüllen = Covers ergänzen das Verzeichnis. Privat gibt es die
gleiche Homepage
wie hier. Da lassen sich aber die 20xx Single-Titel als MP3 mit Mausklick abspielen.
Ich habe mir mit der Homepage "1001 Singles" also eine digitale Jukebox gebaut. Ein Traum der 50er Jahre in den USA, und
60er Jahre auch in der BRD, lies sich digital nachempfinden.
Diese Großgeräte in der Kneipe machten Musik soooo wertvoll. Ich erinnere
mich an eine Szene 1982, wo ein Mädchen an einer Jukebox stand. Sie drückte
immer und immer wieder "Major Tom" von Peter Schilling, und Tränen liefen ihr
über das Gesicht: "Völlig losgelöst von der Erde...". Ja, das waren Zeiten.
Die LP begann ab etwa 1965 die Single zu verdrängen. Die Beatles brachten
wohl als erste Langspielplatten heraus, die man von vorne nach hinten genussvoll
anhören konnte, während LPs zuvor durch musikalische Ödnis abschreckten - Kopien
und Instrumentals wurden zum Single-Hit gepackt, ein abschreckendes Rezept.
Gegen Ende der LP-Ära haben die Musikhändler das dann leider wieder da hin
getrieben. Ihre Hoch-Zeit hatte die LP wohl schon mit dem Art-Rock. Art Rock im
ersten Durchgang - er hat ja längst sein Revival - kann man bei Vanilla Fudges
riesiger LP "You keep me hanging on" 1968 beginnen und bei "Phantom of the opera"
198x von Iron Maiden enden lassen. Das war Musik, die eine Single sprengte. Von
"Yes" in England bis zu "Krawinkel" in Deutschland wurden LPs herausgebracht,
die pro Plattenseite nur ein 20-Minuten-Werk enthielt. Und es waren geniale
Werke darunter. Jaja, Pink-Floyd-Fans, ihr seid auch dabei.
Echte LPs habe ich 3000. "Echt" meint, dass sie von einer Band eingespielt
sind oder, falls viele Bands sich auf der LP tummeln, die Musik in einem Wurf
durchläuft. Etwa 20 LP-Sampler habe ich, die ich wie Sammlungen von Singles
behandle. Auszüge daraus füge ich meiner Single-Jukebox zu. Jaja, etwa 1800
Single-Titel, die mir zufällig nicht begegneten, die ich aber gleich gekauft
hätte, wenn sie mich getroffen hätten, kann ich heutzutage, bei Punk-Singles vor
allem dank vieler CD-Compilations, bei Oldies vor allem gerettet im Internet,
der Jukebox einverleiben. Ein Zahlenspiel naht: 3000 Single-Titel verzeichnet
meine Jukebox 2012, und 3000 echte LPs gibt es auch bei mir.
Gruselig wird es, wenn man das alles mal rechnerisch hintereinander laufen
lässt: Den Single-Titel etwas knapp mit 3 Minuten Laufzeit angenommen, die LP mit oft nicht
erreichten, aber zum Rechnen einfachen 40 Minuten Laufzeit angesetzt, komme ich
auf 3000 x 3 Minuten = 9000 Minuten = 150 Stunden = etwa 20 Tage mit je etwa 8
Stunden, die ich ohne Wiederholung meiner digitalen Jukebox lauschen kann. Und
3000 x 40 Minuten, das sind 120.000 Minuten LP-Musik... 2000 Stunden....250 Tage
mit je 8 Stunden LP-Genuss, und wir hätten meine LP-Sammlung einmal
durchwandert.
Das erscheint mir lebenslang sättigend. Ich habe dann ja auch ab 2000 nicht
mal für 10 Cent noch eine Platte gekauft. Jaja, es gab dann die CDs,
einschließlich einer ersten Wiederkunft der Vinyl-Platte "new remastered" auf
CD. Das Schrumpfen der Plattencover unter die Größe eines Single-Covers zeigte
aber ein Geschenk auf, das wir LP-Besitzer jahrzehntelang als selbstverständlich
genommen hatten: Jedes LP-Cover entspricht einem echten schnuckeligen Bild! Man
kann das über das Sofa hängen, und es wirkt. Und zumindest bei den
Musikrichtungen, die ich als LPs kaufte, verkauften die Covers gute Träume. Zu
etwa 80 Prozent würden mir die Covers meiner LPs über dem Sofa gefallen.
Allerdings habe ich überhaupt kein Sofa, und bräuchte doch etwa 400 Sofas, ein
ganzes Möbelhaus, um je sechs LP-Covers attraktiv darüber zu platzieren. Tolle Vision.
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In der kleinen Wohnung, die ich mit meiner ersten festen Freundin bezog, hatten meine
Langspielplatten für etwa 10 Jahre ihr handhabbares schönes Domizil: Eine
Wand in voller Breite und Höhe, 4 m mal 2,50 m, trug die schwere Vinyl-Last. Die
Platten waren gut sortiert, nämlich subjektiv. Nach Stilrichtungen bewegten sie
sich von links bis rechts, von oben bis unten. Meine liebsten Klanglieferanten
umkreisten das rechte untere Ende. Da hatte das Schwerlast-Regal eine Nische. Da
stand der Plattenspieler. Und er lief echt jeden Tag, zehn Jahre lang. Ich bin
an Arbeiten im eigenen Zimmer zu laufender Musik gewöhnt. Als gegen Ende der
CD-Ära, mit der Musik-Überflutung aus dem Internet, alles erreichbar schien,
passierte bei mir komischerweise das Abtauchen in Schweigen. Seit gefühlt 2004
läuft Musik selten bei mir, wenn ich arbeite.
Hört mir auf mit Radio. Da brauche ich einen guten Moderator. Uralte
Tonbandaufzeichnungen habe ich, wo mir, als ich 14 Jahre jung war, der Moderator noch Genuss
bot.
Als der Punk aufkam und kein Radio-Moderator meines deutschen Sendegebietes ihn
1978 empfing, als die Neue Deutsche Welle 1981/82 ihren Blitzstart machte und
von Südwestfunkmoderatoren verhöhnt wurde, da war es aus bei mir mit Radiohören.
Heutzutage erst wieder gibt es ein Refugium im Auto bei mir, wo Flux FM und
sonst nichts läuft - ein Regionalsender, der neben Berlin ausgerechnet und
einzig Stuttgart bedient. Verlasse ich den Sendebereich von Flux FM, schalte ich
um auf "CD im Auto".
Jeder Abschnitt hier ruft bei mir weitere Assoziationen wach. Der
Plattenspieler in dem Riesen-Regal, das alle meine LPs mit ihrer schmalen
Rückseite eng, aber wohlsortiert nebeneinander präsentierte, stand direkt und
bedienbar neben meinem großen Wasserbett. Also ich konnte beim Aufwachen und
auch bei sonstigen Bettfiguren die Platten-Nadel in Gang setzen. Meine
Vinyl-Platten hatten da ihr Jahrzehnt, in dem sie gefeiert wurden... Nimm dir mal
vor, die Zwanzig-Minuten-Seite einer musikalisch passenden Platte mit deiner Liebsten
durchzuvögeln. Komm erst beim letzten Titel, Mann! Alles klar?
Und ja, auch meine CDs habe ich gerippt, habe sie dem Computer zugänglich
gemacht. Beim CD-Kauf, spät begonnen, irgendwo 1995, da ließ sich die Explosion
der Digitalwelt schon ahnen, hatte ich nie etwas anderes im Sinn, als die Titel
langfristig auf eine Festplatte zu schaufeln und von dort aus zu spielen. Techno und Trance sind ja dann
Musikrichtungen, die in ihrer Sound-Dynamik und Klangreinheit auf die CD
abgestimmt sind. Jaja, Drum´n´bass, Jungle und Trip Hop klingen auch besser auf
CD, und Klaus Schulze sowie Tangerine Dream, beide im LP-Zeitalter gestartet und
verfolgt vom Plattenknistern, werden durch die CD beschenkt. Also ich startete
spät und endete früh - gefühlt 2003 - mit CDs als Musikträger. Als Beigabe bei
Musikzeitungen wie Ablake und Legacy, Ox, Visions und Zillo, dann bei
Gothic-Magazinen, da ist mir die CD allerdings willkommen. Noch 2012 kaufe ich
etwa 5 Musikzeitschriften mit CD pro Jahr. Also ich habe eine fette Sammlung an
gerippten CDs voller Einzeltitel, die für mich interessante Fortschritte der
Musik ab 199x einfangen.
Jedes Lied, das ich hier im Internet erwähne, ist von mir gekauft, zwischen
1975 und jetzt. Jetzt ist alles Internet. Mit dem deutschen Simfy 2011 und
seinen US-Konkurrenten ab 2012 kostet das Musik-Paradies einen überschaubaren
Betrag. Das Paradies ist allerdings flach, wie der Abgleich mit meiner Sammlung
zeigt: Von meinen 2020 Single-Titeln gibt es bei Simfy nur 30 Prozent, also 822.
Ätsch! Bei den LPs sieht es etwas besser aus. Immerhin noch 900 LPs, das sind 22
Prozent meiner Vinyl-Sammlung, habe aber nur ich und ihr da draußen im Internet bisher
nicht. Was je auf CD dann verkauft wurde, das habt ihr, jaja.
In meiner jetzigen Wohnung stehen die LPs und Singles derzeit auf dem Speicher. Teils
direkt im Speicher, nach Möglichkeit natürlich in den heizbaren Stockwerden
darunter haben wir im Winter 2012/2013 die Archivierung des Gigantenwerks
durchgeführt. Dank an Franzi und Ramona. Zu dritt haben wir ein Museum gestemmt!
Dank an dieser Stelle auch an Steffen, der mir das Umwandeln aller meiner CDs in
MP3-Daten auf 20 gleichzeitig laufenden Computern in vertretbarer Zeit
ermöglichte. Alle meine LPs und Singles plane ich in einen Keller zu überführen,
der demjenigen verblüffend gleicht, den ich als zwölfjähriger Junge sah. Dieser Keller, in dem
die LPs in langer Reihe in Greifhöhe stehen, und darüber noch ein langes Brett,
auf dem Unmengen von Singles warten. Das war meine früheste Vision von
sinnvollem Reichtum: Viele Vinyl-Platten haben.
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