Da gibt es zum einen den gnadenlos erkennbaren Beat, weil
das Schlagzeug auf die eins geht - was die Beatles nie wagten - bei "Paint
it Black" von den Rolling Stones zum Beispiel. Ansonsten kreuzt der Beat
Hitze mit Melodik, kreist eng um einen deutlichen Refrain und wagt originelle
Bauweisen wie bei Tommy Boyce und Bobby Hart oder Barry Ryan. Beat startete mit "Glad All Over" von
den Dave Clak Five 1964 und verlor sich schon 1969 in psychodelischen
Fortsetzungen einerseits, in kommerziellen Nullnummern andererseits. Die Gruppe
Hawkwind ist übrigens die langlebige Verfechterin des Beat-Schlageugs auf der
Eins und klingt auch musikalisch wie "Beat auf Drogen". Den kompakten
Beat hingegen zelebrierten Punk-Bands noch einmal von 1978 bis etwa 1981 - dann
zickten sie ab in die New Wave.
Da wuchs in mir die These, und ich betrachtete
auch andere Musikstile aus diesem Gesichtspunkt, dass die Punker Musikstile
spielten, die sie anhand nicht so kraftvoller Musik in ihrer Frühestpubertät
verinnerlicht hatten: Mensch, das, was ich da höre, das knallt, aber... es
könnte noch vieeeeel heftiger knallen! Die Musik, die uns zwischen 8
und 12 in die Seele huscht, arbeiten wir dann von 18 bis 92 auf.
Der Punk hatte ja damals die Jubelphase des Art
Rock abgeschossen. Diese begann mit Bands wie "The Flock" 1969 und
verwirrte 1978 mit immer gigantischeren Hymnen, mit Yes und Emerson, Lake and
Palmer das jugendliche Mitmachenwollen. Ich hatte die deutschen Ausläufer des
Art Rock, von Krawinkel und Andromeda bis zu Wallenstein und Drosselbart,
mitbekommen... und grinste über alle vier Backen, als ich 1998 "Angels
fall first" von "Nightwish" hörte. Da war er wieder, der Art
Rock. Zehn wunderbare Jahre ist er dann noch einmal aufgeblüht. Ich war
Abonnent des Magazins "Eclipse" in Deutschland und habe fast alle CDs
dieses Mags.
Punk basiert auf Beat 12 Jahre später... Art
Rock kommt zurück 20 Jahre später... und dann erst ist der Kreis gelaufen. Ich
erwarte bei elektrischer Jugendmusik nach dem großen Hit stets auch das Hit-Echo in der
Folgegeneration. Und meine: Das war es dann aber, ganz logisch. Denn die
Frühpubertierenden, die innerhalb des Revivals eines Musikstils aufwachsen,
hören nicht das Revival. Sie hören irgend was anderes, und verkünden wiederum
in ihrem
Revival dann, was sie damals wichtig nahmen.
Dabei muss sich der Zyklus aus Pionierzeit und
Revival bei elektrischer Jugendmusik nicht unendlich fortsetzen. Ich bin der
Meinung, die Jungs und Mädels, die 2010 zwischen 8 und 12 Jahre jung sind,
hören eben eigentlich gar keine Musik mehr. Sie haben alles und lassen dudeln.
Ihr Herz steckt in Computerspielen, meine ich. Die Musik ist weitgehend
verramscht. Ein feines Ohr haben sie schon noch, unserer Nachwachsenden. Aber die
musikalischen Perlen verstreuen sich zwischen NDW-Revival, Alternative, Trance
und Techno, Rap und Soul, Kitsch und Stress, Profi und Goofy, Luft und Wasser,
Bang und Aus.
Einfach aus. Nie hätte ich gedacht, dass bei mir
privat schlichtweg keine Musik läuft. Seit ich 12 bin, hat bei mir Musik
gedudelt in der Freizeit. Ich habe auf Kind und Frau Rücksicht genommen, jaja.
Indem ich Kindermusik und Pop laufen ließ, was soll´s. Aber Musik lief. Doch
Kind und Frau sind seit 2007 etwa fort - und seitdem läuft bei mir eine bis
keine CD pro Tag. Das ist ein Zehntel der Musik, die ich bis etwa 1999 pro Tag
laufen ließ. Dabei besitze ich seit 2003 eine dieser DJ-Festplatten, die mit
150 MB an MP3-Musik starten und mittlerweile bei mir über 400 MB MP3s haben.
Das reicht, um ein Jahr lang rund um die Uhr niemals das gleiche Lied zu
spielen. Das reicht also fürs Leben und darüber hinaus. Es reicht so sehr,
dass ich die letzten zwanzig Prozent an Musik, die mir befreundete DJs auf die
Festplatte luden, nicht mehr durchhörte. 2009 war das. Ich habe seitdem keinen
Finger mehr gerührt, um weitere MP3s zu hamstern.
Bei Youtube bin ich allerdings noch Stammgast und
sammele da auch. Meine musikalische Bildung über die Musik vor etwa 1975 stammt
aus Youtube ab 2006, wo eifrige Archivierer die Welt der Jugendmusik mit
konkreter Geschichte bereichern, während sie zuvor auf ein Hundertstel
reduziert, um Wesentliches betrogen und kommerziell verzerrt ("Alle Nummer
Eins Hits") überliefert wurde.
Formal habe ich ja Youtube als alternativen
Musikkanal schon mit "Crazy Combos" ab 1999 vorweggenommen. Mir ist
bewusst, dass ich nicht wusste, wie das Potenzial dieser von mir geliebten
alternativen Musikfilme zu verbreiten wäre, und dass MTV strukturell schon
lange vor mir auch alternative Musikfilme förderte. Also ich war ein leiser
Pionier zwischen fetten Tieren und erwähne das hier auch nur leise :-)
Techno schockte die Discos dann offiziell ab
1994, ab der Dreifach-CD "Terrordrome", mit einem "Jahr der
Härte" bis zum Gabber und weg dann aber auch.
Das ist ein anderer Zyklus, der aus
"Beat" "Pop-Musik" machte und Punk Bands zum Heavy Rock
trieb: Dieses Weicher-Werden. "Die Band ist nun reifer" und andere
Scheiße wird da drüber gehäuft. Ursache sind die Mädels. Du kannst keine
Frau bei Death Metal knutschen. Auf ein hartes Jahr in einer Musikrichtung
folgen fünf weiche, behaupte ich mal. Das will ich aber nicht herausarbeiten.
Hier geht es mir um einen Durchmarsch durch wichtige Musikrichtungen von 1958
bis 2010 unter dem Gesichtspunkt: Sie hatten ihre Pionierzeit und Glanzzeit,
dann verebbten sie, doch es gab jeweils noch ein Revival, und das erklärt sich
daraus, dass einige Kids von damals dann selbst spielende Musiker wurden.
Weicher Techno ist Trance. Nach dem schrillen
Vorspiel auf Kassetten, nach dem harten Start auf CDs schraubten die Discos die
Musik eilig herab auf Frauen-Level. Und ich habe den Eindruck, Trance im ganz
weiten Sinne hat sich verewigt. Mit Techno wurde eine Tür aufgerissen zu einem
musikalischen Zimmer, und mit Trance, Trip-Hop und Ambient Music - so lauten die
Bezeichnungen, wenn man noch und noch dezenter elektronisch-monoton musiziert -
wurde dieses Zimmer hübsch gestaltet. Ich mag diese ganze "eletronic music",
sie passt zur Droge XTC, zum erotischen Vorspiel, und auch für Autofahrten
liefert sie den Soundtrack.
Das ist das mögliche Schicksal mancher
Musikrichtung: Sie lässt sich mit geringem inspiratorischem Aufwand über lange Zeit
"neu" befüllen, und sie findet einen sozialen Platz. Jazz und Blues haben sich
nach meinem Gefühl vor allem für manche Männer als Langzeitsofa
etabliert. Bei Trance und Trip-Hop wippen nunmehr die Frauen.
Der "Neuen Deutschen Welle" scheint es
auch so zu gehen. Es gab sie ja eng besehen nur ein Jahr - das beste Jahr der
Jugendmusik in Deutschland, 1982. 1981 war es angelaufen, 1983
diktierte die Musikindustrie schon wieder Schlagertexte. Und weg war der schicke
Stil. Mit den Stücken, mit denen sich 2raumwohnung 2002 dann aber wieder
durchsetzen konnte, wären sie 1982 baden gegangen. Da stecken wir dann, zwanzig
Jahre später, im seitdem mit einem Hundertstel des alten Schwungs laufenden
Revival der NDW. Kaum kann ich manche Beat-Revival-Stück der Punk-Ära 1979 von
Stücken des Jahres 1965 unterscheiden. Gar nicht kann ich "Monika
Tanzband" 2005 unterscheiden von "Fred vom Jupiter" von 1981. Ist
auch nicht nötig. Ich mag die NDW, solange sie ironisch ist, und nur da ist sie
echt. Also: Sogar Hubert Kah läuft bei mir, aber 2raumwohnung nicht.
|
Was fehlt noch? Rap. Der hat ja echt eine
schleppende Vorgeschichte. Mit "Wake Up, Niggers" von den "Last Poets"
hörte die Welt 1969 im Film "Performance" das erste Mal Rap. Den
Begriff "Rap" hat allerdings erst Curtis Blow 1980 bekannt gemacht.
"Spoken-Word-Performance" hieß das vorher. Naja, und dann ging Rap
kurz unter, irgendwo hinter LL Cool J "I need Love" 1987. Aber Rap war
billig und praktisch für MTV. Endlos ließen sich diese Strukturen produzieren
aus gestikulierenden Sprechern. Also sendeten sie das Zeug als Lückenfüller
weiter, und es rappelte sich hoch. Seit 1987 höre ich weg bei englischem Rap,
und nach dem herrlichen Revival des Deutsch-Rap (Start mit den Fanta 4 1990, und
zwölf Jahre später, na
also, 2002 rappen dann die Kids bei Aggro Berlin) mache ich ab etwa 2004 dicht
bei Deutsch-Rap. Sorry, ich bin da überquasselt. Mehr als Aggro ist nicht mehr
gekommen. Wie sehr Rap weiterplätschert, wundert mich. Rap hat wohl einen
sozialen Platz eingenommen, jaja - aber da geh ich nicht hin. Zuguterletzt der Anfang von allem: Klassischer
Rock´n´Roll, A-Be-Bop-A-Lula. Die Beatles hatten ihn mit britischer Melodik
weggewischt, obwohl sie ihn anfangs selbst spielten. Des Rock´n´Rolls erstes
Revival war originell: Die massiven Zitate des Glam-rock 1971 und 1972. So
richtig groß raus kam Classic Rock seitdem nie mehr, doch ich finde, heutige
Rockabilly-Bands sind oft bessere Live-Rock-n-Roller, als sie beim Original-Rock
auf den Bühnen standen.
So laufen denn einige Stile vielleicht für immer: der
klassische Rock´n´Roll, der Hard Rock, der Punk, alternative Music (= New Wave
endlos), der Rap, die Deutsche Welle und der Trance. Techno ist eine Krake - EBM
und Industrial, Neue Deutsche Härte schwimmen in seinen langen Fangarmen,
Gabber, drum´n´bass und Jungle kleben eng an ihm. Er läuft also, in Sporen
zerlegt ("Goa"), weiter.
Andere Musikrichtungen sind nun vielleicht echt abgearbeitet: der
Beat, die Psychodelik, der Art Rock, der Death Rock in meiner Deutung, für
Lexikon-Leser ist es "Death Metal mit tiefstimmigem Gesang".
Insgesamt dürfen wir nach meinem Gefühl nun
rundblicken. Wir brauchen nicht auf weitere Stile der elektrischen Jugendmusik
zu warten. Das war es. Grunge? Ein Revival des schleppenden Rocks.
2008 spätestens wurde der Rock´n´Roll
fünfzig. Schallplatte - CD - MP3 hießen die zentralen Datenträger. Der
Fetisch des einzelnen vielfach gehörten Musikstückes ist nun kaum noch
haltbar. Die Kinder haben nicht mehr einen Teddy, sondern 200 Plüschfiguren. Es
wird geguckt und geklickt und zumeist nur nebenbei gehört. Es wird zitiert und
kopiert, Ice Ice Baby.
Ich war sehr begeistert dabei, bei dieser
Musikexplosion, zitiere das Zitieren nach Möglichkeit nur (meine virtuelle
Karaoke-Band YXXY), akzeptiere
das umfangreiche heutige Visuelle als die Kraft, die der Musik als pubertäres
Daseinszentrum den Garaus macht, und setze mich auf meine Schätze.
Dabeigewesen zu sein bei einem musikalischen
fünfzig-Jahres-Parcours, zu dem die nächsten 200 Jahre Menschengeschichte
hinüberblicken werden, macht stolz und dankbar. Danke, digitale Revolution, dass du erst
kamst, als ich schon 3000 Langspielplatten hatte.
Schaun wir uns den Hard Rock an. Der hatte seine
erste Welle mit Led Zeppelin und Deep Purple an der Front und vierzig weiteren
guten Bands gleichzeitig mit dem Art Rock ab 1968. Doch eigentlich noch bevor
der Punk kam, war der erste Hard Rock für einige Zeit aus der Rezeption vieler
Jugendlicher verschwunden. Der Nachwuchs allerdings spielte weiter. Mit
"phantom of the opera" von Iron Maiden im Beat Club Deutschland 1981
meldete sich eine zweite Generation von Hardrockern, und die kämpfen bis heute
um ihre langen Haare.
Definitiv Neues zum Thema Hard Rock? Aus meiner
Sicht der Death Rock. Den kannte ich schon ein Jahr, bevor die ersten
Langspielplatten in den Läden standen. Es war die Zeit der Audio-Kassetten.
Fans kopierten sie, und ich bestellte gezielt Death Rock Demos per Post. Mein
Auto war vermutlich das erste in Stuttgart, aus dem beim Öffnen der Tür
Grunz-Stimmen die Passanten angeekelt blicken ließen. Über die drei
Wurzelkracher des Death Rock sind sich Musikhistoriker wunderbar einig: Lemmys
tiefe Stimme bei Motörhead, die von John Peel geförderten Napalm Death, und
einsam eindeutig dann Venom. Diese drei Pioniere wurschtelten auf ihre Weise vor
sich hin, und scheinbar passierte mehrere Jahre lang weiter nichts... denkste.
Die Zwölfjährigen hatten genau die abartige Botschaft dieser Bands
herausgehört.
Die von mir hier verwendete Zuordnung des
Begriffes "Death Rock" hat in Wikipedia nicht überlebt. Da zählen
die Misfits dazu, also eine Punk-Spielart. Da schwimmt es in den Gothic
hinein. Für das hingegen, was ich mit "Death Rock" meine, gibt es
eine sofort hörbare Besonderheit: Die übertiefe Stimme, das "Growling",
zu deutsch humorvoll "Grunzen". Was drumrum passiert, ist tatsächlich
etwas variabel, aber eben nie Punk, zumeist Rock, und wenn Gothic, dann als
Art-Rock-Revival mit Grunzstimme.
Meine an der Gesangsstimme orientierte Zuordnung
von Death Rock ermöglicht sogleich auch die Bezeichnung des Partners: Beim
Death Metal kreischt der Sänger hoch, jenseits von Robert Plant irgendwo. Dimmu
Borgir ist bester Black Metal, Cannibal Corpse bleiben die Könige des ... ja
was nun bitte? Wikipedia ordnet die Band schlicht gar keinem Rockstil zu.
Feiglinge! Schauen wir doch mal nach bei Napalm Death: Anarcho-Punk-, Grindcore- und
Death-Metal, extremer Metal. Leute, ihr habt es nicht zu benennen geschafft.
Also dann schauen wir noch bei Venom nach: „brutal speed metal“ sei es 1980
genannt worden, und rückblickend wird für ihren Musikstil der Albumtitel von
1981 verwendet: "Black Metal". Na toll.
Das Singen mit tiefer Stimme hatte seine
Startgeräusche 1981, sein Revival kam dann quer durch die Neunziger. Wunderbar
übrigens die späte Kreuzung mit dem Art-Rock-Revival, bis hin zu den Duetten
aus klassichem Gesang und Growl. Ab 1994 kaufte ich stetig das Ablaze-Magazin
und hatte das Glück, dass mir jemand seine kompletten Legacy-Magazin-CDs
verkaufte. Die höllischen Himmel, die sich beim Hören dieser Tonträger
auftun, ziehen mit Beethoven gleich und gingen doch unter. "Grunters"
heißt mein Angebot als DJ zu diesem Thema...
Techno? Wurde erfunden von Kids, die mit 12
"Acid" gehört hatten. Techno startete in seinen ersten zwei Jahren -
noch kaum Platten gab es auf dem Markt, wiederum eilten Kassetten-Demos voraus -
mit hirnfressenden Loops und schrillen Soundspielen so vielfältig, wie ich den
Death Rock auf Kassetten gehört hatte. Die Stücke, die mich auf Techno
früh abfahren ließen, gibt es offiziell gar nicht. Irgendwann werde ich mit
nach innen gerichteter Konzentration im Studio sitzen und das Zeug
nachbauen.
|